Initiative Verschickungskinder e.V.: „Verschickung nannte man die Verbringung von Kleinkindern ab dem 2. Lebensjahr (zT noch kleiner) in Kindererholungsheime, Kinderkurheime und Kinderheilstätten für eine begrenzte Zeit, während der sie aus dem Elternhaus herausgenommen und mit Zügen in zT weit entfernte Kur- und Erholungsorte zwecks Erholung und Aufpäppelung verbracht wurden. Die Verschickung begann im 19. Jahrhundert und erlebte einen Massen-Boom von 1950-1980 in der Bundesrepublik der Wirtschaftswunderzeit.“
Von 1945 bis in die 1980er Jahre wurden kränkliche Kinder in der BRD und der DDR in Heime verschickt. Dort geschahen grausame Misshandlungen. Die ehemaligen Verschickungskinder fordern eine Aufarbeitung der institutionellen Gewalt in diesen Einrichtungen und eine Anerkennung ihres Leids.
Ich selbst war ein krankes Kind und wurde in den 80ern von meinen Kinderärzten in sogenannte „Kuren“ verschickt. 2021 beschloss ich, mich dem Thema zu stellen und besuchte den Kongress der Selbsthilfegruppe der Initiative Verschickungskinder e.V.. Ich machte Portraits und Interviews mit ihnen. Viele Berichte über psychische und physische Gewalt durch das betreuende Personal gleichen sich.
Das Buch „Kinderheime und Kinderheilstätten“ von Sepp Folberth, BRD 1956, war der Leitfaden für diese Einrichtungen. Die Initiative Verschickungskinder e.V.: „Der Autor empfiehlt ausdrücklich: Keine Verabschiedungen der Eltern von ihren Kindern zu ermöglichen, und keine Besuche, angeblich um Heimweh zu vermeiden. Er plädiert für ein striktes Besuchsverbot für Eltern, selbst bei Säuglingen, das man auf keinen Fall lockern dürfte, nicht mal im Falle einer akuten Erkrankung. Diese sollte man den Eltern erst mitteilen, wenn sie schon wieder vorüber sei. Dazu wird empfohlen, nie unter 6 Wochen zu verschicken, bei Säuglingen sogar längere Kuren, bis zu 16 Wochen, auch wird eine strikte Briefzensur gefordert und gerechtfertigt. Desweiteren haben wir unter der Überschrift „Strafen“ 16 verschiedene Strafen gefunden, die der Prof. Hans Kleinschmidt (NS-Arzt) Leiter Kinderheilstätte Bad Dürrheim als eine „ärztliche Empfehlung“ den pädagogischen Mitarbeiter*innen der Kinderheilstätten empfiehlt…“
Angestoßen durch die unermüdliche Arbeit des Vereins gibt es inzwischen wissenschaftliche Forschung über Verschickungen.
Weiter Informationen:
Detlef Lichtrauter
Silke Kohne Jung
Thomas Lehne
Hans – Lothar Wißkirchen
Dr. Ines Gniosdorsch
Regina Konstantinidis
Engelbert Tacke
Birgit Lübben
Beatrix Hötger
Renate Götze
Ute Herzog